Thema: Gedicht
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Alt 10-10-2004, 13:02
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Tassahak Tassahak ist offline
Visceroid

 
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Eduard Mörike: "Abschied"

Unangeklopft ein Herr tritt abends bei mir ein:
"Ich habe die Ehr, Ihr Rezensent zu sein."
Sofort nimmt er das Licht in die Hand,
Besieht lang meinen Schatten an der Wand,
Rueckt nah und fern: "Nun, lieber junger Mann,
Sehn Sie doch gefaelligst mal Ihre Nas so von der Seite an!
Sie geben zu, dass das ein Auswuchs is."
- Das? Alle Wetter - gewiss!
Ei Hasen! ich dachte nicht,
All mein Lebtage nicht,
Dass ich so eine Weltsnase fuehrt' im Gesicht!!

Der Mann sprach noch verschiednes hin und her,
Ich weiss, auf meine Ehre, nicht mehr;
Meinte vielleicht, ich sollt ihm beichten.
Zuletzt stand er auf; ich tat ihm leuchten.
Wie wir nun an der Treppe sind,
Da geh ich ihm, ganz froh gesinnt,
Einen kleinen Tritt,
Nur so von hinten aufs Gesaesse, mit -
Alle Hagel! ward das ein Gerumpel,
Ein Gepurzel, ein Gehumpel!
Dergleichen hab ich nie geschn,
All mein Lebtage nicht gesehn
Einen Menschen so rasch die Trepp hinabgehn!
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Die Welle sprüht, und staut zurück und weichet,
Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trinken;
Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben.
Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet;
Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blinken
Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben.
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