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Alt 28-02-2003, 14:47
TankRush TankRush ist offline
Erzputzer

 
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So, und das hab ich den Typen von der BPjM geschrieben. Die Mail ist zwar lang, aber sie ist das Durchlesen wert! Versprochen!

Sehr geehrte Damen und Herren,


soeben habe ich erfahren, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) beabsichtigt, das Computerspiel „Command and Conquer Generals“ ab dem 28.02.2003 zu indizieren. Dies geschieht mit der Begründung, ein derartiges „kriegsverherrlichendes“ Spiel, das „den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen wehrlose Zivilisten“ zum Ziel erhebt, gehöre nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen. So berichtet das Magazin Focus auf seiner Website mit Berufung auf das Bundesfamilienministerium.

Meine negative Meinung zur drohenden Indizierung möchte ich Ihnen mit folgendem Schreiben kundtun.



Das Brettspiel „Risiko“ wurde 1982 nicht indiziert, und zwar mit der Begründung, es handele sich um die spielerische Umsetzung einer abstrakten militärischen Situation auf einer unrealistischen Weltkarte und sei deshalb nicht kriegsglorifizierend. Genauso verhält es sich mit „Command and Conquer Generals“. Zwar ist eine Anlehnung des Spiels an die momentane geopolitische Situation, vor allem im Nahen Osten, nicht zu übersehen, dennoch bedient sich „C&C Generals“ nicht der Gräueltaten und der Thematik sowohl vergangener als auch aktueller Kriegsschauplätze in Vorder- und Zentralasien.

Da Ihrerseits ein Indizierungsantrag gestellt wurde, gehe ich doch davon aus, dass Sie sich mit diesem PC-Spiel eingehend befasst haben und seine Grundzüge, sein Spielprinzip und alle sonstigen spielerischen Eigenarten kennen. Demnach sollte Ihnen bekannt sein, dass „C&C Generals“ ein Echtzeit-Strategiespiel ist, in dem es darum geht durch die gezielte strategische Verwendung der zur Verfügung stehenden Truppen den Sieg zu erringen, nicht durch uninspirierte Ballerorgien. In diesem Spiel zählen die Taktik und die scharf zu kombinierende Fähigkeit, sich die richtige Strategie zu erarbeiten. Folglich sind die Waffen im fiktiven Konflikt zwischen USA, China und der Globalen Befreiungsarmee nicht, wie von Ihnen dargestellt, Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.

Damit der Spieler mithilfe dieser strategischen Kombinationsgabe Erfolg und somit letztendlich Spaß hat – „Generals“ ist und bleibt nur ein Spiel – haben seine Entwickler eine Grafik entwickelt, die, wie Sie selbst sagen, neue Maßstäbe im Strategie-Genre setzt. Bei dieser opulenten Grafik lässt es sich im Zusammenhang mit der behandelten militärischen Thematik nicht vermeiden, dass es manchmal halt zu bildschirmfüllenden Explosionen von Benzin- oder Atombomben kommt. Schließlich soll das Spiel ja auch schick aussehen und nicht veraltet wirken. Die Grafik soll nicht den Tod der virtuellen Soldaten, sondern die Erfolge der eigenen Strategie realistisch darstellen



Wie ich Ihnen also hoffentlich klar machen konnte, steht bei Generals nicht der Krieg an sich im Vordergrund, sondern die Fülle an Möglichkeiten, durch Taktik und den richtigen Einsatz der Militäreinheiten zum Erfolg zu kommen. Ich möchte noch einmal betonen, die Waffen und die Kriegsthematik in „C&C Generals“ sind nicht Selbstzweck, nur Mittel zum Zweck!



Womit ich bei einem weiteren Thema wäre: der Thematik von „C&C Generals“. Mir ist ebenso klar wie Ihnen, dass die GBA, die eindeutig mit Al-Kaida zu identifizieren ist, etwas zu realitätsnah ins Spiel integriert wurde, jedenfalls was die biologischen Waffen betrifft. Ebenso gut weiß ich auch, dass nach der Explosion der GBA-Milzbrandbomben und Bio-Raketen das Gebiet in schillernden Farben erscheint. Sie schreiben jedoch, dass durch diese Regenbogenfarben das Thema biologische Waffen verherrlicht und eine Belustigung für den Spieler würde. Damit haben Sie Unrecht. Damit kein Spieler auf die Idee kommt, seine Soldaten durch verseuchte Gebiete zu schicken, müssen diese auf irgendeine Weise kenntlich gemacht werden. Da sich dunklere Töne von der Landschaft offensichtlich nicht abheben würden, wurden also grelle Farben benutzt, was in Bezug auf Bio- und Atom-Waffen wohl als reiner Zufall gewertet werden muss. Auch kritisieren Sie die „mitreißende“ Musik in Generals. Der Sound muss natürlich zu den entsprechenden Kriegsparteien passen, und so haben nur die USA als High-Tech-Nation Rock-Soundtracks, die nicht mehr mitreißen als Musikvideos auf MTV. Die übrige Musik ist nicht mitreißend, sondern stimmungsvoll und soll den individuellen Stil der drei Parteien unterstreichen. Ich denke, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich sage, dass ein Heavy-Metal-Soundtrack zur Volksrepublik China erdenklich schlecht passen würde.

Als ebenfalls fragwürdigen Punkt prangern Sie an, dass die Soldaten mit qualvollen Schreien sterben würden und dass der Spieler durch die Zoomfunktion der Kamera Gelegenheit hätte, dies hautnah zu betrachten. Beim ersten Spielen fällt bereits auf, dass einzelne Fußsoldaten mit Absicht sehr unscharf texturiert und grob modelliert wurden. Somit sollen die Soldaten möglichst wenig menschlich wirken und dem Spiel der fragwürdigste Teil der Realitätsnähe entzogen werden.



Auch wenn im Internet mehrere Spieler zusammen oder gegeneinander antreten, wollen sie sich dadurch nicht mit gegenseitigem Overkill übertrumpfen oder dadurch, wer die meisten Menschen zerbombt, sondern es geht um das faire Teamplay und den Zusammenhalt in der Community. Hierfür dürfte Ihnen noch der Shooter „Counterstrike“ in Erinnerung sein, der von Ihnen letztes Jahr ebenfalls unnötig indiziert werden sollte und so für Furore sorgte.

Somit lässt es sich nicht vertreten, „Command and Conquer Generals“ als kriegsverherrlichendes Spiel anzuprangern, was Sie übrigens fälschlicherweise auf eine Stufe mit kriegsverharmlosenden Spielen gestellt haben. Wenn überhaupt wäre „Generals“ also verharmlosend und nicht verherrlichend, und nicht einmal das ist es. Wie ich Ihnen also hoffentlich klarmachen konnte, ist der Zweck von „Generals“ keine möglichst mitreißende und detaillierte Darstellung (zwar an aktuelle Geschehnisse angelehnter, aber dennoch fiktiver) Kriege, sondern der Spielspaß, der nicht durch das Töten von Menschen herrührt, sondern durch das Ausprobieren neuer Strategien zum Erfolg. Also genauso wie in Spielen wie Schach, „Risiko“ oder „Die Siedler von Catan“.

Deswegen ist die Indizierung von „Command and Conquer Generals“ und seine Einstufung als brutal und kriegsverherrlichend vollkommen unbegründet, nicht hinreichend durchdacht und somit für mich nicht nachvollziehbar.



Hochachtungsvoll



John Kleineaschoff
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